Vandemoortele, Tess
[UCL]
Roland, Hubert
[UCL]
Diese Arbeit befasst sich mit dem Roman „Ahasver“ des deutsch-jüdischen Schriftstellers Stefan Heym, der 1981 veröffentlicht wurde. Es wird untersucht, wie die Figuren des Romans die Realität widerspiegeln. Die Charaktere werden anhand von vier literarischen Strömungen untersucht, in die sich „Ahasver“ einordnen lässt. Diese Strömungen werden üblicherweise von Schriftstellern verwendet, um die Realitäten der damaligen Zeit darzustellen. Ich analysiere also, wie die Figuren des Romans die Gesellschaft der DDR darstellen, um meine Forschungsfrage zu beantworten: „Wie kann der politische und soziale Kontext der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) anhand der Figuren in Stefan Heyms Roman Ahasver verstanden werden?“ Der Historismus beleuchtet Heyms Motive sowie die ideologischen und politischen Dynamiken, die er anhand seiner Figuren kritisiert. Paul von Eitzen, inspiriert von einer historischen Figur des Luthertums, wird zu einem Symbol für reformistische Ideale und deren Korruption. Indem Heym leicht von Eitzens tatsächlicher Biografie abweicht, versucht er nicht, die Geschichte wahrheitsgetreu neu zu schreiben, sondern betont vielmehr die Spannungen zwischen dem religiösen Glauben und den politischen Realitäten. Eitzen, der sich von einem idealistischen Studenten zu einem Mann entwickelt, der bereit ist, seine Überzeugungen für die Macht zu kompromittieren, spiegelt die Dynamiken der DDR wider, in der Konformität oft eine Notwendigkeit war, um zu überleben. Ahasver, der wandernde Jude, symbolisiert seinerseits Leid und Rebellion. Obwohl er auf einer Legende beruht, macht Heym ihn zu einer Figur der Dissidenz, was vielleicht seinen eigenen Status als dissidenter Schriftsteller in der DDR widerspiegelt. Die Figur Martin Luthers wird, obwohl er als religiöser Reformer geachtet wird, kritisch dargestellt, insbesondere aufgrund seines Antisemitismus. Diese allegorische Darstellung kann als Kritik am DDR-Regime gesehen werden, in dem abweichende Meinungen nicht geduldet wurden. Schließlich symbolisiert Siegfried Beifuß, obwohl er eine fiktive Figur ist, die historische Realität der DDR, da seine überwachte Post die Zensur und die Unterdrückung der Meinungsäußerung veranschaulicht. Der sozialistische Realismus beleuchtet den Kampf von Individuen gegen unterdrückerische Systeme. Eitzen veranschaulicht diesen Ansatz, indem er sich unter sozialem Druck entwickelt, um die Unterdrückung und Manipulation durch die Macht zu verkörpern. Ahasver steht für den Kampf gegen die Unterdrückung, indem er sich weigert, sich dem System anzupassen, und als Dissident Heyms Ideale verkörpert. Beifuß hingegen zeigt einen inneren Konflikt angesichts der Doktrinen des Regimes und symbolisiert das Dilemma von Intellektuellen unter einem unterdrückerischen Regime. Der Modernismus, der durch die Infragestellung literarischer Traditionen und die Erforschung neuer Erzählformen gekennzeichnet ist, spiegelt sich in der Figur des Ahasver wider, der das Thema der modernen Entfremdung verkörpert. Sein ewiges Umherirren, seine Identitätsfragmentierung und seine Verwendung des stream of consciousness spiegeln die Komplexität der modernen Welt wider. Der Roman, der in vier Erzählschichten fragmentiert ist, geht über traditionelle lineare Erzählungen hinaus und veranschaulicht den Wunsch, die Komplexität der menschlichen Existenz einzufangen. Der magische Realismus, der übernatürliche Elemente in die alltägliche Realität einbindet, wird von Ahasver verkörpert, dessen gesamte Existenz auf dem Übernatürlichen beruht. Seine Unsterblichkeit ermöglicht es, die Herausforderungen der verschiedenen historischen Perioden zu erforschen. Der magische Realismus ermöglicht es Heym, die menschliche Existenz durch Ahasvers Erfahrungen zu kommentieren und gleichzeitig gesellschaftliche Strukturen und unterdrückende Mächte über die Epochen hinweg zu kritisieren. Episoden wie Beifuß' Flug über die Berliner Mauer mit Ahasver und Leuchtentrager veranschaulichen diese Verschmelzung von Übernatürlichem und Realem und symbolisieren die Möglichkeit, den von der DDR-Gesellschaft auferlegten ideologischen und physischen Barrieren zu entfliehen. This paper examines the novel Ahasver by the German-Jewish writer Stefan Heym, published in 1981, focusing on how the characters reflect reality. The characters are analyzed through four literary movements in which Ahasver can be categorized. These movements are commonly used by writers to depict the realities of their time. Therefore, I analyze how the novel's characters represent the society of the GDR in order to answer my research question: "How can the political and social context of the German Democratic Republic (GDR) be understood through the characters in Stefan Heym's novel Ahasver?" Historicism highlights Heym's motives as well as the ideological and political dynamics he criticizes through his characters. Paul von Eitzen, inspired by a historical figure of Lutheranism, becomes a symbol of reformist ideals and their corruption. By slightly deviating from Eitzen's actual biography, Heym is not attempting to rewrite history accurately but rather to emphasize the tensions between religious faith and political realities. Eitzen's development from an idealistic student to a man willing to compromise his beliefs for power reflects the dynamics of the GDR, where conformity was often necessary for survival. Ahasver, the wandering Jew, symbolizes suffering and rebellion. Although based on a legend, Heym turns him into a figure of dissidence, perhaps reflecting his own status as a dissident writer in the GDR. The figure of Martin Luther, despite being revered as a religious reformer, is critically portrayed, particularly for his anti-Semitism. This allegorical depiction can be seen as a critique of the GDR regime, where dissenting opinions were not tolerated. Finally, although Siegfried Beifuß is a fictional character, he symbolizes the historical reality of the GDR, as his monitored mail illustrates censorship and the suppression of free expression. Socialist realism highlights the struggle of individuals against oppressive systems. Eitzen exemplifies this approach by evolving under social pressure to embody the oppression and manipulation by power. Ahasver represents the fight against oppression by refusing to conform to the system, embodying Heym's dissident ideals. Beifuß, on the other hand, shows an inner conflict in the face of the regime's doctrines and symbolizes the dilemma of intellectuals under an oppressive regime. Modernism, characterized by the questioning of literary traditions and the exploration of new narrative forms, is reflected in the character of Ahasver, who embodies the theme of modern alienation. His eternal wandering, identity fragmentation, and use of stream of consciousness reflect the complexity of the modern world. The novel, fragmented into four narrative layers, goes beyond traditional linear storytelling and illustrates the desire to capture the complexity of human existence. Magical realism, which incorporates supernatural elements into everyday reality, is embodied by Ahasver, whose entire existence is based on the supernatural. His immortality allows for an exploration of the challenges of various historical periods. Magical realism enables Heym to comment on human existence through Ahasver's experiences while also criticizing social structures and oppressive forces across epochs. Episodes such as Beifuß's flight over the Berlin Wall with Ahasver and Leuchtentrager illustrate this blending of the supernatural and the real, symbolizing the possibility of escaping the ideological and physical barriers imposed by GDR society.


Bibliographic reference |
Vandemoortele, Tess. DDR-Realitäten in "Ahasver": Stefan Heyms Figuren als Spiegel der Zeit. Faculté de philosophie, arts et lettres, Université catholique de Louvain, 2024. Prom. : Roland, Hubert. |
Permanent URL |
http://hdl.handle.net/2078.1/thesis:49163 |