HÖLTSCHI, Vera
[USL-B]
Oft als erste moderne Tänzerin und Symbol der Belle Epoque bezeichnet, ist Loïe Fuller vom breiten Publikum so gut wie vergessen worden. Sie stand stets etwas im Schatten der von ihr unterstützten, aber bekannteren Kollegin Isadora Duncan. In letzter Zeit weckte Fuller indessen insbesondere das Interesse von europäischen Forschern. Zudem hat der 2016 erschienene Film La Danseuse ihr Leben thematisiert. Nicht alle Details stimmen, aber gut geschildert ist ihr Verhältnis zu ihrem eigenen Körper: sie mochte sich nicht. Im Kontrast zu der charmanten Duncan, die ihren Körper enthüllt und sich gerne in Gesellschaft zeigt, kreiert Fuller die Schönheit künstlich auf der Bühne. Vor allem gegen den klassischen akademischen Tanz gerichtet möchte Duncan den Körper befreien (z. B. vom Korsett), während Fuller etwas ganz Neues macht: Sie kreiert sowohl abstrakte wie in der Natur auffindbare Formen (z. B. Vögel) mit ihrem Kleid (und mit Hilfe von zwei Bambusstäben), auf das sie (farbiges) Licht projiziert. Parallel zur Entwicklung der Elektrizität erfindet sie den sogenannten Serpentinentanz, mit dem sie nicht nur Kunst und Technik kombiniert, sondern beides auch mit der Natur verbindet. Was sie erschafft, ist schwer einzuordnen: Sie bewegt sich, also tanzt sie, aber zwischen den ganzen Stoffschichten sieht man nicht immer, dass dahinter ein Mensch steckt. Das Ganze sieht auch wie Malerei aus, wie ein Bild, das sich immer wieder verändert, so zitiert Rancière Mauclair, einen Schüler von Mallarmé, für den die Ununterscheidbarkeit der Künste typisch im Jugendstil war. Bezeichnenderweise schrieb Fuller selber: „Je sculpte de la lumière.“ Der Körper verschwindet also hinter dekorativen Elementen der bildenden Kunst. Hervorgehoben wird ihre Bedeutung für die moderne Kunst im Werk Aisthesis des französischen Philosophen Jacques Rancière. Einen Text von Mallarmé über Fuller kommentierend, stellt er fest, dass dieser die Innovation des Tanzes erkannt hat, aber noch von Ballett spricht. Die Kunst wurde neu definiert: Fuller inszeniert die Bewegung selber, und erzählt keine Geschichte mittels Bewegungen und Dekor, wie es zuvor üblich war. Da sie einen leeren Raum kreiert, um den sich der Stoff dreht, ist ihr Körper unauffindbar. Mallarmé lässt sich von ihr dahingehend inspirieren, sie wird für ihn zu einer Art Verkörperung seiner Ästhetik; analog zur Tänzerin möchte er in seinem Werk verschwinden, die tanzende Frau erscheint ihm letztlich nur noch als eine Metapher. In meiner Auseinandersetzung mit dem Frühwerk Fullers wird die Frage gestellt, ob die Tänzerin tatsächlich nur als Metapher und statische Figur wahrgenommen werden wollte oder ob sie nicht eher eine Ästhetik der Bewegung anstrebte. Der Beitrag wird erforschen, welche ästhetischen Ziele Fuller mit ihren Metamorphosen tatsächlich anstrebte, und wie diese in der Sprache einer aktuellen performativen Ästhetik formuliert werden können. In diesem Zusammenhang soll die Frage beantwortet werden, wie Fuller die Entwicklung ihres Körper- und Tanzverständnisses in Selbstaussagen formuliert. Quellen: - Brandstetter, Gabriele/Ochaim, Brygida: Loie Fuller: Tanz, Licht-spiel, Art nouveau. Freiburg 1989. - Fuller, Loïe: Quinze ans de ma vie. Paris 1908. - Garelick, Rhonda K.: Electric Salome. Loie Fuller's performance of modernism. Princeton 2007. - Gottgetreu, Sabine: Das tanzende Gewand und die verschwundene Tänzerin. Loïe Fuller (1862-1928). In: Tanzen und tanzen und nichts als tanzen. Tänzerinnen der Moderne von Josephine Baker bis Mary Wigman. Hg. von Amelia Soyka. Berlin 2012, S. 35-47. - Mallarmé, Stéphane: Considérations sur l’art du ballet et la Loïe Fuller, The National Observer, 19 (234), Londres 1893. - Rancière, Jacques: Aisthesis. Scènes du régime esthétique de l’art. Paris 2011. - file:///C:/Users/veram/Downloads/ladanseuse_dp.pdf


Bibliographic reference |
HÖLTSCHI, Vera. Die frühe Loïe Fuller als Symbol des Jugendstils. Körpernegation im Dienste der bildenden Kunst.Bodies in motion (Ghent, du 16/11/2017 au 18/11/2017). |
Permanent URL |
http://hdl.handle.net/2078.3/202462 |