De Knop, Sabine
[FUSL]
Goldbergs (1995 und 2006) Auffassung der Konstruktionsgrammatik lenkt unsere Aufmerksamkeit von kompositionellen auf nichtkompositionelle Strukturen, d.h. auf Konstruktionen in ihrer Gesamtheit: „Any linguistic pattern is recognized as a construction as long as some aspect of its form or function is not strictly predictable from its component parts or from other constructions recognized to exist. In addition, patterns are stored as constructions even if they are fully predictable as long as they occur with sufficient frequency.“ (Goldberg 2006: 5) Das Prinzip der Nichtkompositionalität scheint besonders auf Konstruktionen zuzutreffen, die aus dem franzö-sischen Kopulaverb être (‘sein’) + einer Farbbezeichnung bestehen und die weiterhin von einer kausalen Ergänzung (eingeleitet durch de ‘von’) begleitet werden, wie etwa in (1) Il était rouge de colère, ‘Er war rot vor Wut’ ; (2) Sa sœur est verte de peur, ‘Seine Schwester ist grün vor Angst. Die Beschreibung solcher Konstruktionen kann genutzt werden, um einige der der Konstruktionsgrammatik zugrundeliegenden Prinzipien zu veranschaulichen: (i) In der Konstruktionsgrammatik bilden Form und Bedeutung ein enges Paar. Daraus ergibt sich, dass Lexikon und Syntax ein Kontinuum bilden. Die kausale Bedeutung der Beispiele ergibt sich aus der gesamten Konstruktion. (ii) Es ist die Konstruktion, die dem Adjektiv eine negative Konnotation verleiht. Dies ist besonders deutlich bei den Farbadjektiven, die meistens metonymisch (manchmal auch metaphorisch) gebraucht werden. (iii) Die französische Konstruktion ist – genauso wie einzelne Sprachzeichen – polysem. Die Struktur [être + Adjektiv + de + Nomen] entspricht einer Vielfalt an Bedeutungsmöglichkeiten, sie kann sowohl eine kausale (wie in den obigen Beispielen)) als auch eine nicht-kausale Bedeutung zum Ausdruck bringen, wie etwa in (3) Etre sûr de quelqu’un ‘sich auf jemand verlassen können’ oder (4) Etre fier de son diplôme ‘auf seinen Abschluss stolz sein’. In der kausalen Bedeutung konkurrieren Farbadjektive mit anderen Adjektiven, wie in folgendem Beispiel illustriert ist : (5) Elle est malade de jalousie ‘Sie ist krank vor Eifersucht’ Die Konstruktionsvielfalt kann am besten in einem konstruktionsgramma¬tischen Ansatz erfasst und beschrieben werden, der einen engen Zusammenhang zwischen Sprache und Wissen privilegiert und der Grammatik als ein kognitives Konstrukt sieht, das zugrundeliegende Konzeptualisierungen zum Ausdruck bringt. Für die Beschreibung der Konstruktionen mit Farbadjektiven eignet sich ein Inventar in der Form eines Netzwerkes von Konstruktionen am besten.
Bibliographic reference |
De Knop, Sabine. Eine Untersuchung von Kausalkonstruktionen mit Farbbezeichnungen im Rahmen der Konstruktionsgrammatik. In: De Knop, Sabine; Mollica, Fabio; Kuhn, Julia, Konstruktionsgrammatik und Romanische Sprachen, Peter Lang : Frankfurt am Main 2013, p. 111-136 |
Permanent URL |
http://hdl.handle.net/2078.3/119323 |